Was ist Geschichte und was Fiktion?

 

Die Quellenlage in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist schwach. Es war eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit, in der das Merowingerreich nur noch Schattenkönige hatte, während die wahre Macht in den Händen ihrer Hofverwalter, der Hausmeier, lag. Diese Hausmeier, Karl Martell, seine Söhne Karlmann und Pippin, werden auch Frühkarolinger genannt, weil Pippins Sohn später als Karl der Grosse ein immenses Reich regierte und neu ordnete. Die Geschichtsschreibung nimmt an, dass Nachrichten aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts später von den Karolingern möglicherweise vernichtet oder zu ihren Gunsten verfälscht wurden.

Gründungsurkunde

Gründungsurkunde des Klosters St. Gallen

Arbon am Todestag                Gallus und Bär

Arbon am Todestag des Heiligen Gallus                    Begegnung von Gallus mit dem Bär            

St. Galler Urkunden und das Reichenauer Verbrüderungsbuch, aber auch Urkundenbücher aus anderen Landesteilen geben Aufschluss über die historischen Begebenheiten dieser Zeit der grossen Umwälzungen. Diese und ihre Auslegung durch namhafte Historiker sind im Roman berücksichtigt. Was historisch als wahr gilt, kommt in «Nordwestbrise» vor, Lücken werden gefüllt mit dem, was möglich gewesen sein könnte, auch mit historischen Thesen von Forschern und von der Autorin.

Karolingerstammbaum

Stammbaum der Karolinger

Ein Roman lebt aber nicht nur vom historischen Geschehen, sondern ebenso vom Alltag. Wie haben die Menschen im 8. Jahrhundert gelebt, Häuser gebaut, wie sich gekleidet, frisiert, ernährt, fortbewegt, verteidigt? Welche Gesellschaftsschichten gab es, welche Formen des Zusammenlebens, was war erlaubt, was verboten? Unzählige dieser Fragen beantwortet ein einziges Dokument, das um 730 entstandene alemannische Gesetz, die Lex Alamannorum. Ein Beispiel: In Art. 21 steht, welche Abgaben ein Kirchenknecht machen und dass er pro Woche drei Tage für sich und drei für seine Herrschaft arbeiten musste. Daraus kann man entnehmen, dass es halbfreie Kirchenknechte gab, die zu Fronarbeit und Abgaben gezwungen waren.  Dem Gesetz ist auch viel über die Stellung und den Wert der Frau zu entnehmen. Art. 60 sagt aus, dass ein Freier, der einen Freien tötete, 80 Schillinge bezahlen musste, und wenn der Getötete keine Kinder hinterliess, sogar 200 Schillinge. Für eine getötete freie Frau hingegen musste das doppelte Wergeld  bezahlt werden.